Doppelbesteuerungskonflikte
In grenzüberschreitenden Sachverhalten werden Doppelbesteuerungskonflikte dadurch gelöst, dass auf Basis von zwischenstaatlichen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) einem Staat das Besteuerungsrecht zugewiesen und dem anderen Staat entzogen wird. Verfügen Steuerpflichtige über Wohnsitze in mehreren Staaten, muss zunächst geprüft werden, welcher dieser Staaten der DBA-rechtliche Ansässigkeitsstaat ist. Andere Staaten, aus denen Einkünfte zufließen, sind dann als DBA-rechtliche Quellenstaaten zu qualifizieren. Steht das Besteuerungsrecht an Einkünften dem Quellenstaat zu, muss der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte – je nach anwendbarem DBA – entweder unter Progressionsvorbehalt befreien oder die im Quellenstaat rechtmäßig erhobene Steuer anrechnen. Die DBA-rechtlichen Entlastungsregeln, die auch den Progressionsvorbehalt regeln, gelten immer nur für den Ansässigkeitsstaat.
Soweit das anwendbare DBA die Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt vorsieht, darf der Ansässigkeitsstaat für die Beurteilung der Höhe des Steuersatzes das (in- und ausländische) Welteinkommen des Steuerpflichtigen heranziehen. Dadurch wird das im Ansässigkeitsstaat zu versteuernde Einkommen einem höheren Steuersatz unterworfen und kommt es zu einer Gleichstellung von rein nationalen mit grenzüberschreitenden Sachverhalten.
Der österr. Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat nun aber in seinem jüngsten Erkenntnis (VwGH 07.09.2022, Ra 2021/13/0067) entschieden, dass Österreich auch als DBA-rechtlicher Quellenstaat den Progressionsvorbehalt anwenden darf. Voraussetzung hierfür sei, dass der Steuerpflichtige der unbeschränkten Steuerpflicht unterliege (Wohnsitz/gewöhnlicher Aufenthalt!), und dass das anwendbare DBA eine Anwendung des Progressionsvorbehaltes im Quellenstaat nicht verbiete. Soweit ersichtlich, dürfte das allerdings keines der von Österreich abgeschlossenen DBA verbieten. Dieses VwGH-Urteil stellt einen Paradigmenwechsel dar und steht im Widerspruch zur bisherigen Verwaltungspraxis in Österreich.
Bei in Österreich unbeschränkten Steuerpflichtigen mit Ansässigkeit im Ausland (Österreich ist nur DBA-rechtlicher Quellenstaat) ist laut Ansicht des VwGH somit auch ein Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen.
Die Praxis der österreichischen Finanzverwaltung sieht dies aktuell noch anders und steht somit im Widerspruch zu dieser jüngsten Rechtsprechung. Ob und inwieweit es zu einer Anpassung dieser Verwaltungspraxis kommt, bleibt abzuwarten. Eine Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes im Quellenstaat Österreich dürfte zu einer Mehrbelastung für viele Steuerpflichtige (sowohl hinsichtlich Steuerbelastung als auch Verwaltungsaufwand in Österreich) führen.
Für Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen Elisabeth Raab und das Team von Rabel & Partner gerne zur Verfügung.
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