Das EuGH Urteil Sonaecom (Rs C-42/19 vom 12.11.2020) behandelt den Vorsteuerabzug bei „frustrierten Aufwendungen“ im Zusammenhang mit nicht realisierten Investitionsvorhaben. Bei Sonaecom handelt es sich um eine gemischte Holding, die im Rahmen eines geplanten Beteiligungserwerbs externe Beratungsleistungen bezog. In der Absicht, an die zu erwerbende Gesellschaft steuerpflichtige Verwaltungsdienstleistungen zu erbringen, kam es zur Geltendmachung von Vorsteuern aus den bezogenen Beratungsleistungen. Schlussendlich kam es jedoch zu keinem Erwerb einer Beteiligung, woraufhin das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus den oben genannten Leistungen versagte.
Der EuGH wiederholt in diesem Urteil seine ständige Rechtsprechung, wonach eine gemischte Holding, die neben der reinen (nicht-wirtschaftlichen) Beteiligungsverwaltung auch wirtschaftliche Leistungen (insbesondere Verwaltungs- und Geschäftsführungsdienstleistungen an Beteiligungsunternehmen) erbringt, als Steuerpflichtige iSd Art 9 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (= Unternehmerin iSv § 2 UStG) zu qualifizieren ist, dem ein anteiliger Vorsteuerabzug im Umfang seiner wirtschaftlichen (steuerpflichtigen) Tätigkeiten zusteht.
Der EuGH stellte weiters fest, dass auch vorbereitende Tätigkeiten bereits der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind. Da die Kosten für die bezogenen Beratungsdienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen der wirtschaftlichen (steuerpflichtigen) Tätigkeit von Sonaecom als gemischter Holding rechnen, kam ihr grundsätzlich das Recht zum vollen Vorsteuerabzug zu. Der Umstand, dass auf Grund des fehlgeschlagenen Beteiligungserwerbs die geplante wirtschaftliche (steuerpflichtige) Tätigkeit letztendlich nicht ausgeübt wird, ändert nichts an der Vorsteuerabzugsberechtigung von Sonaecom. Das Recht zur Geltendmachung der Vorsteuern bleibt auch dann bestehen, wenn die beabsichtigte wirtschaftliche (steuerpflichtige) Tätigkeit nicht ausgeführt wird, die Aufwendungen also vergeblich waren (stRsp EuGH).
Anderes gilt jedoch dann, wenn die bezogenen Beratungsleistungen nicht vergeblich waren, sondern anderweitig für nicht vorsteuerabzugsberechtigte Zwecke verwendet werden. Im gegenständlichen Fall wurde von Sonaecom eine begebene Anleihe nicht – wie ursprünglich geplant – zur Finanzierung des Beteiligungserwerbs, sondern letztendlich für die steuerbefreite Gewährung eines Darlehens an die Muttergesellschaft verwendet. Der Vorsteuerabzug für die bezogenen Leistungen eine Investmentbank wurde Sonaecom daher vom EuGH versagt. Die im Fall von Sonaecom auf Grund des fehlgeschlagenen Beteiligungserwerbs vorgenommene anderweitige Verwendung der Eingangsleistungen für nicht vorsteuerabzugsberechtigte Zwecke ist jedoch schädlich für das Recht zum Vorsteuerabzug. Die ursprünglich beabsichtigte Verwendung der Eingangsleistungen für steuerpflichtige Ausgangsumsätze durch die gemischte Holding ist in diesem Fall unbeachtlich..
Anmerkung: Der EuGH bekräftigte im Urteil Sonaecom seine ständige Rechtsprechung, wonach das Recht zum Vorsteuerabzug nicht verloren geht, wenn die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit später nicht ausgeübt wird, es also zu keinen steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen kommt, die Aufwendungen somit vergeblich waren. In diesem Sinne judizierte der EuGH zuletzt auch zum Vorsteuerabzug bei „frustrierten Aufwendungen“ im Zusammenhang mit nicht verwirklichten Vermietungs- und Immobilienprojekten (EuGH 18.05.2021, C-248/20 – Skelleftea Industrihus und 12.11.2020, C-734/19 – ITH Comercial Timisoara). Davon abzugrenzen ist hingegen eine anderweitige Verwendung der Eingangsleistungen für nicht vorsteuerabzugsberechtigte Zwecke, die einen nachträglichen Verlust des Vorsteuerabzugs nach sich zieht.
Für Fragen im Zusammenhang mit Umsatzsteuern bei Holdinggesellschaften und Immobilien stehen Ihnen Florian Raab und Hannes Eichinger und die Mitarbeiter:innen von Rabel & Partner gerne zur Verfügung.
6. September 2021
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